Was ist die Bibel?

Eine allgemein verständliche Einführung

Die Bibel [griechisch biblos = Buch] ist die grundlegende Heilige Schrift der christlichen Religion. Grosse Teile davon haben die ersten Christen vor 2000 Jahren aus dem Judentum übernommen, das übrige ist zumindest stark vom Judentum beeinflusst. Jesus von Nazareth, von seinen Anhängern auch Christus [griechisch = der Gesalbte, d.h. Beauftragte Gottes] genannt, war genauso wie seine ersten Schüler, die Apostel, selbst Jude.

Aufbau und Entstehung der Bibel

Erste grobe Unterteilung: Altes und Neues Testament

Die christliche Bibel ist eigentlich nicht ein Buch, sondern vielmehr eine kleine Bibliothek. Sie besteht aus zwei Teilen, die ihrerseits noch einmal stark unterteilt sind:

Die Bibel als Bibliothek dargestellt

Wer also die Begriffe Altes Testament (AT) und Neues Testament (NT) verwendet, übernimmt damit - vielleicht ohne sich dessen bewusst zu sein - auch schon ein wenig eine christlich eingefärbte Wertung. Es gibt deshalb Leute, die im Sinne der "political correctness" in der Sprache eine Abkehr von diesen beiden Begriffen fordern.


Verfasser, Entstehungszeit und Stil

Die Verfasser der Bibel sind zum grössten Teil nicht namentlich bekannt, das gilt insbesondere für die zwischen ca. 1000 v. Chr. und 100 v. Chr. entstandenen Bücher der jüdischen Bibel, aber auch für einige der zwischen 70 n. Chr. und 120 n. Chr. entstandenen Schriften des christlichen Neuen Testamentes.

Stilistisch deckt die Bibel (auch wie eine Bibliothek) vom trockenen Gesetzestext bis zum poetischen Liebeslied, vom Märchen [Erzählung mit unwirklichen Elementen, deren Wahrheit auf der psychologischen Ebene liegt] bis zum sozialpolitischen Manifest [politische Programmschrift], von der statistischen Liste mit den Daten einer Volkszählung bis zur ausgefeilten Novelle [längere Erzählung] so ziemlich jede denkbare Richtung ab.


Inhalt und Botschaft

Die Bibel verkündet keine einheitliche, in sich logisch geschlossene Weltanschauung oder religiöse Lehre. Dies wird jeder einigermassen unvoreingenomme Leser beim aufmerksamen Durchlesen selbst feststellen, auch wenn die Vertreter der Kirchen oft das Gegenteil behaupten. Die unendlichen Kämpfe zwischen Katholiken und Protestanten um die richtige Deutung der Bibel zeigen diesen Befund nur allzu klar. Der Grund dafür, dass "man mit der Bibel alles und auch das Gegenteil davon beweisen kann" liegt in der langen Zeit ihrer Entstehung (mehr als 1000 Jahre) und vor allem in der grossen Zahl ihrer Verfasser (mehrere Dutzend).

Es gibt aber sehr wohl einen gemeinsamen "roten Faden", der sich durch die ganze Bibel hindurch zieht: Die Bibel ist ein Spiegelbild der lebendigen Kultur eines kleinen Volkes mit einem ausgeprägten Willen zur Unabhängigkeit von grossen Staatsgebilden ebenso wie von geistigen Modeströmungen. Zudem glauben alle biblischen Schriftsteller nicht nur an die Existenz eines Schöpfergottes, sondern auch daran, dass dieser Gott mit seinem auserwählten Volk durch die Geschichte geht und in deren Verlauf immer wieder eingreift.

Darüber, was genau dieser Gott von seinem Volk erwartet, gehen die Meinungen der Verfasser der einzelnen biblischen Bücher allerdings weit auseinander. Dabei geht es nur zu einem geringen Teil um Unterschiede, die man mit "kulturellem Fortschritt" erklären könnte. Weit grösser sind die Einflüsse grundsätzlicher Strömungen, die es so in jeder grösseren Religion gibt:

Priester: Gottesdienst und Rituale

Priester und ihre Anhänger betrachten Religion vor allem als Gottesdienst. Wichtig sind Rituale [regelmässig, nach dem immer gleichen Muster wiederholte Handlungen, Gebete, Gesänge usw.], insbesondere Opfer [rituelles Schlachten von Tieren, Verbrennen von Nahrungsmitteln als Rauchopfer u.ä.].
Bis zur Zerstörung des jüdischen Tempels in Jerusalem durch die römischen Besatzungstruppen im Jahre 70 n. Chr. war die priesterliche Richtung im Judentum gut organisiert (erbliche Ämter) und sehr einflussreich. In römischen und christlichen Quellen werden die damaligen jüdischen Priester als " Partei der Sadduzäer" bezeichnet.
Im Christentum steht die katholische Amtskirche in dieser Tradition - die Begriffe Priestertum und Opfer bleiben wichtig, auch wenn keine Tiere mehr geschlachtet werden, sondern die Rituale nur noch aus Worten und Gesten bestehen.

Propheten: Soziale Gerechtigkeit

Die Propheten [Mahner, Verkünder des göttlichen Willens] interessieren sich im allgemeinen weit mehr für Soziale Gerechtigkeit als für Gottesdienst und Rituale, und begründen diese Forderung religiös. Sie wenden sich mit scharfen Worten gegen die Anhäufung von Reichtum und luxuriösen Lebensstil, Ausbeutung der besitzlosen Arbeiter, aber auch gegen den sinnentleerten Opferkult wendet.
Christliche Bewegungen in dieser Tradition sind z.B. die Befreiungstheologie in Lateinamerika, die sich sowohl auf die Bibel wie auch auf den Marxismus beruft. Umgekehrt ist klar, dass Karl Marx die prophetische Tradition der Bibel sehr wohl kannte.

Apokalyptiker: Weltuntergang und Strafgericht

Wenn der Aufruf zur Umkehr und zur Beseitigung von Missständen lange genug keine Veränderung bewirkt hat, kommt die Zeit für Apokalyptische Bewegungen. Diese haben eine ausgesprochen pessimistische Weltsicht, wittern überall Zersetzung und Zerfall traditioneller Werte, sehen keinen Ausweg mehr und erwarten stattdessen als unvermeidliche Folge Katastrophen, die das Ende der Welt oder zumindest der Menschheit bedeuten - in biblischer Zeit im Sinne eines göttlichen Strafgerichtes. (Die Vorstellung vom Strafgericht erlaubt übrigens, eine rettende Hintertür offen zu halten für einige wenige auserwählte Gerechte, sprich für die Anhänger des apokalyptischen Propheten). Eine Spielart der apokalyptischen Bewegung ist die nationalreligiöse Widerstandsbewegung, die mit z.T. terroristischen Methoden gegen fremde kulturelle Einflüsse und insbesondere gegen die Fremdherrschaft kämpft. Zur Zeit der griechischen Herrschaft über Palästina waren dies die Makkabäer, zur Zeit der Römer die Zeloten [Eiferer].
Der Übergang von der prophetischen Aufrüttelung zur apokalyptischen Weltuntergangserwartung ist natürlich fliessend. In der Bibel wird die apokalyptische Strömung in den Spätschriften des Alten Testaments und im letzten Buch des neuen Testaments sichtbar.

Engagierte Laienbewegungen: Frömmigkeit und Moral

Eine Zwischenposition nimmt die elitäre Laienbewegung der Pharisäer ein. Einerseits bejahen sie Gottesdienst und Rituale ohne Vorbehalt, andererseits fordern sie auch korrektes moralisches Verhalten. Gegenüber den Priestern betonen sie, dass jeder Einzelne die Religion vorschriftsgemäss ausüben müsse, dass man also die religiösen Pflichten nicht einfach den "religiösen Profis" überlassen könne. Gegenüber den prophetischen Bewegungen sind die Moralvorstellungen eher bürgerlich ausgerichtet, es geht mehr um "Rechtschaffenheit" des Einzelnen als um sozialen Ausgleich.
Im Judentum wurde die pharisäische Richtung nach der Tempelzerstörung tonangebend. Im Christentum steht der Protestantismus in dieser Tradition individueller Frömmigkeit und Moral.

Ordnungssystem der Bibliothek

Wenn wir beim Begriff der Bibliothek bleiben, dann drängen sich folgende Stufen der Unterteilung auf:



Abteilungen und Bücher der jüdischen Bibel

Die Bücher der jüdischen Bibel (ursprünglich in hebräischer Sprache verfasst) werden von Juden, Katholiken und Protestanten unterschiedlich bezeichnet und nach unterschiedlichen Gesichtspunkten zu Abteilungen zusammengestellt.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Christen als Grundlage ihres "Alten Testamentes" nicht die hebräische Bibel sondern die Septuaginta [lateinsich = 70], eine in der Antike weit verbreitete griechische Übersetzung benutzten. Diese wurde in den letzten vorchristlichen Jahrhunderten in der ägyptischen Hafenstadt Alexandria von Juden erstellt, der Legende nach von 70 Gelehrten in 70 Tagen. Die Urchristen (in der Mehrzahl griechisch sprechend) übernahmen diese Übersetzung so, wie sie im 1. Jahrhundert nach Christus vorlag.

Als jüdische Gelehrte um 100 n. Chr. festlegten, was denn nun wirklich zu den heiligen Schriften des Judentums zählen sollte, liessen sie einige Spätschriften weg, nicht zuletzt, um sich gegenüber dem Christentum abzugrenzen. Fortan wurden diese Schriften, kaum mehr hebräisch abgeschrieben, denn die Christen interessierten sich damals nur für die griechische und die auf dieser basierenden lateinische Übersetzung. So geriet der hebräische Text in Vergessenheit. Erst im 20. Jahrhundert wurden einzelne Fragmente [Bruchstücke] des hebräischen Urtextes der Spätschriften durch Archäologen ausgegraben und damit der Beweis erbracht, dass die vermeintlich nur griechisch vorhandenen Spätschriften durchaus auch eine hebräische Grundlage haben.

jüdisch katholisch protestantisch
AbteilungBuch AbteilungBuch AbteilungBuch
I. THORA [Gesetz] Im Anfang I. Pentateuch [fünf Behälter
(für Buchrollen)]
Genesis [Entstehung] I. Geschichts-bücher 1. Mose
Dies sind die Namen Exodus [Auszug (aus Aegypten)] 2. Mose
Und er rief Leviticus 3. Mose
In der Wüste Numeri [Zahlen] 4. Mose
Dies sind die Worte Deuteronomium [zweites Gesetz] 5. Mose
II. NEBIIM
IIa. Frühe Propheten
Josua II. Geschichte Josua Josua
Richter Richter Richter
Samuel 1. Samuel 1. Samuel
2. Samuel 2. Samuel
Könige 1. Könige 1. Könige
2. Könige 2. Könige
II. NEBIIM
IIb. Späte Propheten
Jesaja Propheten Jesaja Propheten Jesaja
Jeremia Jeremias Jeremias
Ezechiel Ezechiel Ezechiel
Zwölf Propheten Hosea Hosea
Joel Joel
Amos Amos
Obadja Obadja
Jona Jona
Micha Micha
Nahum Nahum
Habakuk Habakuk
Zefanja Zephanja
Haggai Haggai
Sacharja Sacharja
Maleachi Maleachi
III. KETUBIM
[Schriften]
Preisungen IIIa. Psalmen Psalmen III. Poetische Bücher Psalmen
Ijob IIIb. Weisheit Job Hiob
Sprüche Sprüche Sprüche
Megillot
[fünf Rollen] an Festtagen vorzutragen
Rut Geschichte Ruth Geschichte Ruth
Hoheslied Weisheit Hoheslied Poetische Bücher Hoheslied
Kohelet Ekklesiastes Prediger
Klagelieder prophetisch Klagelieder prophetisch Klagelieder
Ester Geschichte Esther Geschichte Esther
  Daniel Prophet Daniel Prophet Daniel
Esra-Nehemia Geschicht-
liche Bücher
Esra Geschicht-
liche Bücher
Esra
Nehemia Nehemia
Chronik 1. Chronik 1. Chronik
2. Chronik 2. Chronik
Die hier aufgeführten Schriften sind zwar jüdischen Ursprungs, sie werden von den Juden aber nicht als Teil der Heiligen Schriften anerkannt. Deutero-
kanonische Schriften
1. Makkabäer Apokryphen 1. Makkabäer
2. Makkabäer 2. Makkabäer
Judit Judith
Tobit Tobit
Jesus Sirach Jesus Sirach
Weisheit Weisheit
Baruch  
Brief des Jeremias
Esther (Zusätze)
Daniel (Zusätze)

Im Judentum geniessen die fünf Bücher der Tora [Gesetz] die grösste Autorität [Verbindlichkeit, Ansehen]. Die jüdischen Bezeichnungen werden jeweils von den ersten Worten im Text abgeleitet. Die christlichen Kirchen bezeichnen die Bücher der hebräischen [jüdischen] Bibel dagegen nach (lateinischen) Oberbegriffen für den Inhalt (kath.) bzw. nach dem (angeblichen) Verfasser Moses (prot.).

Die katholischen Bibeln folgen der griechischen Septuaginta, bringen die Bücher Ruth, Chronik, Esra und Nehemia sowie Tobit, Judith, Esther (inkl. griechische Zusätze) und Makkabäer als Geschichtliche Schriften vor den Psalmen und Weisheitsbüchern. Die späten Propheten folgen als Prophetenbücher nachher. Die Klagelieder und Daniel (inkl. griechische Zusätze) werden als Prophetenbücher hinter Jeremia bzw. Ezechiel eingeordnet.

In den protestantischen Bibeln (Lutherbibel, Zürcher Bibel) werden die Bücher der Torah, die frühen Propheten, das Buch Ruth, die Chronik, Esra, Nehemia und Esther als Geschichtliche Schriften bezeichnet und vor den Poetischen Büchern eingeordnet, die späten Propheten folgen hinter den Poetischen Büchern. Die Klagelieder und Daniel werden als Prophetenbücher hinter Jeremia bzw. Ezechiel eingeordnet. Ganz am Schluss folgen die apokryphen [griechisch = verborgenen] Bücher ohne Baruch, Brief des Jeremias und ohne die griechischen Zusätze zu Esther und Daniel.



Abteilungen und Bücher Neuen Testamentes

AbteilungBuchBedeutung
Evangelien Matthäusevangelium

Die vier Evangelien [Evangelium: griechisch = frohe Botschaft, gute Nachricht] nach Markus, Matthäus, Lukas und Johannes erzählen vom Leben des Jesus von Nazareth, einem jüdischen Rabbi [Religionslehrer], der mit seinen Anhängern umherwanderte wie verschiedene andere Rabbis auch und von der römischen Besatzungsmacht als Aufrührer [nach heutiger Sprachregelung: Subversiver] hingerichtet wurde. Ob er so gefährlich war, wie die Römer dachten, bleibe dahin gestellt; jedenfalls war die Hinrichtung durch Kreuzigung nicht für gewöhnliche Räuber und Mörder, sondern für politische Verbrecher vorgesehen. Dass die Evangelien als Propagandaschriften der ursprünglich jüdischen Sekte [religiöse Splittergruppe] der Christen zu betrachten sind, wird beim unvoreingenommenen Lesen sofort klar.

Markusevangelium
Lukasevangelium
Johannesevangelium
Apostelgeschichte

Die Apostelgeschichte erzählt von den Anfängen der christlichen Kirche zuerst in Israel und ihrer Ausbreitung im Mittelmeerraum, insbesondere den Missionsreisen des Apostels Paulus.

Paulus-
briefe
Römerbrief

Die Briefe des Apostels Paulus an die von ihm gegründeten christlichen Gemeinden in Kleinasien (heutige Türkei) und Griechenland sowie an die Christen in Rom (die er erst noch besuchen wollte). Sie enthalten die z.T. recht anspruchsvollen Überlegungen des ersten grossen Theologen des Christentums und dazu viele recht "handgestrickt" anmutende moralische Ermahnungen. Mit grösster Wahrscheinlichkeit stammt ein Teil der Paulus zugeschriebenen Briefe von anderen Verfassern, die sich durch die vorgetäuschte Verfasserschaft eine grössere Akzeptanz [Anerkennung, Beachtung] für ihre Schriften erhofften.

1. Korintherbrief
2. Korintherbrief
Galaterbrief
Epheserbrief
Philipperbrief
Kolosserbrief
1. Thessalonicherbrief
2. Thessalonicherbrief
1. Timotheusbrief
2. Timotheusbrief
Titusbrief
Philemonbrief
Übrige Briefe Hebräerbrief

Die übrigen Briefe sind an eine katholische [griechisch = allgemeine] Leserschaft adressiert. Als Verfasser werden andere Apostel genannt. In den reformierten Bibeln werden sie einfach als übrige Briefe eingereiht.

Jakobusbrief
1. Petrusbrief
2. Petrusbrief
1. Johannesbrief
2. Johannesbrief
3. Johannesbrief
Judasbrief
Apokalypse Offenbarung des Johannes

Die Offenbarung des Johannes knüpft an die Tradition der Apokalyptik [Androhung des Weltuntergangs in Form eines göttlichen Strafgerichtes] an, die im Judentum in den letzten Jahrhunderten vor Christus eine gewisse Verbreitung gefunden hatte.




Weiterführende Literatur und Links zu Bibel und Religion:

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© 2004 Markus Jud, Luzern
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Letztes Update: 2.5.2004

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